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RE/CAPTCHA GWKAPTCHA

Juni 2018

Was macht den Mensch zum Menschen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht immer eindeutig. Es gibt verschiedene Aspekte, welche die einzig- artigen Qualitäten der Menschenart untersuchen. Diese Aspekte gehen von außen, der Schale, dem Physischen, ins Innere: Nervengewebe, Intuition und Intelligenz. Das beginnt mit dem biologi- schen Aspekt: Eine Knochenstruktur ummantelt von Muskelgewebe, Sehnen und einem Netzwerk an Blut leitenden Adern. Wir sehen uns die Zeich- nung eines Skeletts an und klassifizieren es als Menschen. Weiter entwickelt sich diese Su- che nach dem Menschen in äußerlichen Erschei- nungsbildern. Wir sehen eine Fotografie eines Gesichts und gestehen: Das ist ein Mensch. Dies endet mit einer Ansammlung an semantischen Er- gebnissen menschlicher Intelligenz. Wir halten ein Buch in den Händen und sehen es als ein vom Menschen erschaffenes Produkt an Gedankengut, das einzig der Mensch in erlernten kommunika- tiven Mustern verbreiten kann.
Die moderne Wahrheit der vermeintlichen Einzigartigkeit menschlicher Qualitäten sieht ganz anders aus. Es gibt Fotografien men- schen-ähnlicher Erscheinungen, die dennoch keine visuelle Repräsentation echter Menschen sind, sie sind generiert von einem Computer mit
künstlicher Intelligenz. Es gibt Bücher, die von keinem Menschen geschrieben worden sind, sondern als Werk einer künstlichen Intelligenz betrachtet werden müssen.
Der Mensch ist ein Wesen des Lehrens und Lernens. Das unendliche Arsenal an Intelligenz wird weitergereicht zu jeder neuen Erschaffung des Menschen – den Kindern. Nun fängt der Mensch an, Roboter zu schaffen. Und sieht nun seine Berufung darin, diesem fiktiven Wesen das Lernen durch Lehre weiterzugeben. Wenn der Mensch jedoch so viel seiner Intelligenz einer großflächig manipulierfähigen Maschine weiterreicht, fällt es im virtuellen Raum immer schwerer, die Essenz des Menschen zu entdecken.
Welche Teile des Menschen sind noch wahr- haftig Produkte menschlicher Intelligenz? Dieser Frage gehen wir nach. Die simpelste Form dieses Beweises der Menschenart ist das häufig im Internet verwendete (re)CAPTCHA. Dieses als Ausgangswerkzeug benutzend formten sich unsere folgenden Gedankengänge.

Re:Captcha: Projekte

ERSTER ANSATZ

Rund um die Thematik der Abgrenzung von Mensch und Maschine, stellte sich uns im Umkehrschluss die Frage, inwiefern sich Menschen langfristig vor künstlicher Intelligenz schützen können und welche menschlichen Eigenschaften nicht berechenbar sind. Gerade das Unberechenbare und Wandelbare am Menschen, so dachten wir, macht den Menschen zu einem nicht kalkulierbaren Objekt. Dazu kam uns die Thematik rund um den Trend in den Sinn. Kaum etwas ist von so viel menschlichem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung geprägt wie der Trend. Im Kontext der Frage „Was ist cool?“ (oder was durch gesellschaftliche Nachahmungsprozesse als cool angesehen wird), überlegten wir uns ein neues CAPTCHA zu entwickeln, in welchen bestimmte Produkte wie Adiletten, Sonnenbrillen oder Kleidungsstücke dargestellt werden. Hier stellten wir uns außerdem die Frage, ob wir unterschiedliche Produkte darstellen sollten (um somit den Nutzer zu einer Entscheidung zu zwingen) oder das immergleiche Produkt (zum Beispiel 16 Paare an Sneakern). Eine Darstellung des immergleichen Produktes unter der Thematik der Coolness könnte zur eigenen Reflektierung des Trendverhaltens führen und gesellschaftskritisch angehaucht sein. Jedoch wurde uns schnell klar, dass eine künstliche Intelligenz vermutlich mittels unseres Online-Nutzungsverhalten recht schnell verstehen könnte, was uns gefällt und was nach unserem Empfinden “cool” sei, und so unsere Antwort kalkulieren könnte. Daher stellten wir uns die Frage, welche anderen menschlichen Eigenschaften den Menschen von der Maschine abgrenzen. Hierbei sei noch zu erwähnen, dass das Ziel unseres Projektes keineswegs ein voll funktionstüchtiges neues CAPTCHA sein soll, das fortan die bestehenden (und bewährten) von Google ablösen könnte. Immerhin gibt es bei unseren Entwürfen (siehe nachfolgende Seiten) zwar oft eine Konsensmeinung, allerdings kein wahres richtig oder falsch, wie es bspw. bei den Straßenschildern der Fall ist. Uns geht es vielmehr darum, das Projekt als Kunstprojekt anzusehen, bei dem wir eine Message verbreiten und zum Reflektieren der überaus relevanten Thematik anregen wollen.

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Re:Captcha: Über mich
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UMSETZUNG

Im Prozess mehrfach umgeworfen und überdacht sind in der finalen Version letztendlich sieben CAPTCHAs entstanden, die in Gruppenentscheidung ausgewählt worden sind. Auf dem roten Faden der Intuitions-Thematik aufbauend, setzen wir auf subjektiv-wertende Adjektive wie powerful, moving, useful oder satisfying. Aus dem damit einhergehenden Fehlen einer objektiven richtig oder falsch-Zuordnung, geht die menschliche Fähigkeit des „Bauchgefühls“ hervor. Statt eines apokalyptischen „Technik klaut unsere Arbeitsplätze“-Szenario, soll in einer unaufhaltsamfortschreitenden Digitalisierung Raum für menschliche Alleinstellungsmerkmale geschaffen werden. Der Intuitionsfaktor wird diesem Fokus gerecht, indem er als futuristisches CAPTCHA eine Entwicklung skizziert, in der Algorithmen von bestehendem Wissen gesättigt sein und neue Quellen nötig werden. Die Einführung unseres CAPTCHAs soll als Website eine Plattform bekommen, durch die Gedanken angeregt werden und auf eine Möglichkeit nach Straßenschildern- und Buchstabenerkennung aufmerksam gemacht wird. Auf www.GWKaptcha.de werden angelehnt an www.humansnotinvited.com, unsere momentan sieben finalen CAPTCHA-Versionen vorgeführt. Jedes Quadrat eines jeden Motivs ist einzeln auswählbar und lässt durch die subjektive Thematik keine explizit richtige Lösung zu. Mit Klick auf „Verify“ erscheint letztlich zufällig abwechselnd entweder der Satz „Congrats. Human Intuition still rulez. Note to robot: Step up your game!“ oder die Roboter-Variante à la „Congrats. You’ve received machine behaviour. Note to human: watch it!“. Diese Zweischneidigkeit sorgt zusätzlich für Verwirrung und soll somit zu mehr gedanklichem Spielraum und Auseinandersetzung mit der Dualität von Mensch-Maschine führen. Im Folgenden ein Entwurf der Website anhand eines Beispiels der finalen CAPTCHA-Auswahl sowie die beispielhafte Darstellung von einem der beiden Sätze, die nach Lösen des CAPTCHAs immer erscheinen.

Re:Captcha: Über mich

AUSBLICK

Weitere Verwendungsmöglichkeiten

Mit GWKaptcha zeigen wir eine futuristische Idee auf, die die zunehmende Vermenschlichung von Robotern thematisiert. Der momentane Status des Kunstprojektes lässt noch keine kommerzielle Umsetzung zu und ist an diesem Stand auch nicht dafür bestimmt, kann jedoch als Basis für weitere Anwendung genommen werden. Momentan sind wir zwar der Meinung, dass Intuition ein klarer Abgrenzungsfaktor zu Robotern ist, realistisch betrachtet könnte aber selbst dies durch die stetige Verbesserung von Algorithmen bald passé sein. So könnte bspw. mithilfe unseres CAPTCHAs 2.0 subjektives Entscheiden nach Bauchgefühl in Algorithmen eingespeist werden, sodass eine Art „Intuitionsfaktor“ ensteht, der von künstlicher Intelligenz leicht berechnet werden kann. Dies würde dem weiter oben beschriebenen sekundären Nutzen entsprechen, bei dem der Bot mithilfe des CAPTCHAs menschlicher wird. Vorstellbar wäre in der Umsetzung sozusagen ein Zusatz-Algorithmus, der als eine Art menschliches Attribut über den Prozess von datenbasierten Entscheidungsfindungen gelegt wird. Das ließe Bots, Roboter und künstliche Intelligenzen menschlicher wirken, indem operationalisierte Intuition subjektive, aus dem Affekt heraus treffende Reflexe vorgaukelt. Angewendet würde diese Fähigkeit von Maschinen nicht zuletzt zur Bestehung des TuringTests führen. Die Herausforderung, technische Konstruktionen wie Chat-Bots in der Kommunikation mit Menschen nicht als diese entlarven zu können, bietet in ihrer Umkehrung auch eine Möglichkeit der zukünftigen Verwendung aus gesammelten GWKaptcha-Daten (das CAPTCHA kann durchaus als Forschungstool verwendet werden). So wären CAPTCHAs auch als Chatbots denkbar: statt den bisher üblichen Formen taucht also ein ChatbotFenster auf, in dem man nun dem zum intuitiven Denken fähigen Bot seine Menschlichkeit beweisen muss, um weiterzukommen. Diese Skurrilität lässt ein CAPTCHA 2.1 vermuten, das in Zukunft greifen könnte, wenn es darum geht, Maschinen erneut einen Schritt voraus sein zu wollen, um ihnen im anschließenden Datensammlungsprozess die fehlende Menschlichkeit wiederrum anzueignen. Im eher alltagspraktischen Bezug und näherer Zukunft bieten CAPTCHAs auf Grundlage des GWKaptcha-Prototypens eine Alternative zu bisher üblichen Verifizierungsmethoden. So könnte bspw. der numerische Entsperrungscode des Smartphones durch ein CAPTCHA abgelöst werden, indem in Form einer Art visuellen Sicherheitsfrage Lieblingsdinge wie Brands, Essen oder Schauspieler abgefragt werden. Der Intuitionsfaktor weicht in diesem Beispiel der vorhandenen „richtig-falsch“ Zuordnung und dient eher als Inspiration. Lediglich die „richtigen“ Antworten führen zwar zur Entsperrung, sind ihrerseits aber wiederrum subjektiv empfunden und in den Einstellungen des Smartphones im voraus festzulegen. Beispiele wie diese zeugen von unterschiedlichen Ausmaßen in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen und lassen auf eine steigende Aktualität von deren Umsetzung schließen, die, wenn auch momentan noch futurisch, in einer sich exponentiell entwickelnden Welt schon bald Alltag sein könnte.

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Re:Captcha: Über mich
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Re:Captcha: Willkommen
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